A u s w a h l   V e r ö f f e n t l i c h u n g e n

Ein Pavillon für alle Fälle

Text: Christian Kühn
Die Presse Spectrum / Samstag, 4. Februar 2023
Copyright © 2023 Die Presse

Heime müssen nicht Ausgrenzung bedeuten: Eine respektvolle Lösung bietet das Caritas-Pflegewohnhaus für psychisch labile Menschen über 50 Jahre auf dem Areal des ehemaligen Kaiserin-Elisabeth-Spitals im 15. Wiener Gemeindebezirk.

Das „Heim“ ist ein doppeldeutiger Begriff. Einerseits bezeichnet er das Zuhause, den privatesten Rückzugsort, dessen Bewohner hier vor der Außenwelt geschützt sind. Andererseits steht der Begriff auch für Anstalten, in denen Schutzbedürftige sicher und kontrolliert untergebracht werden. Diese Heime – für Kinder, Alte oder psychisch Labile – sind unheimliche Heime, die immer mit einem gewissen Maß an Ausgrenzung verbunden sind. Sie aufzulösen und durch kleine, in „normale“ Wohnhäuser integrierte Einheiten zu ersetzen war jahrzehntelang ein Trend, dem auch die Stadt Wien zu folgen suchte. Seit einigen Jahren hat sich dieser Trend umgekehrt, nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung, die am oberen Ende einen ständig steigenden Bedarf an Pflegeplätzen erzeugt und am unteren eine enorme Nachfrage nach leistbaren Wohnungen in einer wachsenden Stadt.

Eines der größten Pflegeheime Wiens liegt am Kardinal-Rauscher-Platz im 15. Wiener Gemeindebezirk. Das Ingrid-Leodolter-Haus mit 328 Wohn- und Pflegeplätzen nimmt einen ganzen Baublock von 100 mal 120 Meter in Beschlag. Alle Wohneinheiten liegen an der Außenseite des Blocks, das Innere ist ein gemeinsam nutzbarer Großraum, der durch vier unregelmäßig zugeschnittene Höfe durchbrochen und belichtet wird. In diesem Großraum entstehen dadurch abwechslungsreiche Rundgänge mit unterschiedlichen Raumzonen. Die Lifte und Treppen zur vertikalen Erschließung liegen genau im Zentrum der Anlage. Der Entwurf stammt von Helmut Wimmers Büro Wimmer und Partner (WUP), das hier einen der typologisch innovativsten Heimbauten der jüngsten Jahre geschaffen hat.

Der große Block steht auf einem Teil des Areals des ehemaligen Kaiserin-Elisabeth-
Spitals, dessen erste Bauetappe 1890 nach einer Bauzeit von nur 18 Monaten eröffnet wurde. Der Architekt Eugen Sehnal war ein Vertreter des Späthistorismus. Sein Lehrer
an der Technischen Hochschule, Karl König, stand für ein wissenschaftliches Verständnis
der Baukunst als exakter Stilkunde. „Ein Kunstwerk“, erklärte König in einem Vortrag
über die „Wissenschaft von der Architektur und ihre praktische Anwendung“, dürfe uns
„vor allem keine Rätsel aufgeben“. Das alte Elisabeth-Spital stand für ein Selbstverständnis, das seine Erfüllung in der perfekten Wiederholung, im besten Fall in der Rekombination bewährter Muster fand.

Um zumindest einige Repräsentanten dieses Stils der Stile zu erhalten, stellte das
Denkmalamt drei Pavillons des Elisabeth-Spitals unter Denkmalschutz. Für den stadteigenen Bauträger Gesiba, der das Spital ins Baurecht übernommen hatte, waren diese Pavillons eine Herausforderung. Der größte, mit Namen Bettina-Stiftung, der sich über die volle Breite des Grundstücks erstreckt, wurde Ende vorigen Jahres bezogen, von
den zwei flankierenden wurde einer zur Schule, der zweite ist gerade in Fertigstellung.
Der Neubau des Ingrid-Leodolter-Hauses war dagegen bereits 2015, drei Jahre nach der Schließung des Spitals, abgeschlossen. Die vier terrassierten „Wohnhügel“ auf ihrem flachen Sockel, die das Areal südlich zur Felberstraße abschließen, wurden 2019 bezogen. Sie sind typisch für ein Dilemma der Stadtentwicklung: In diesem sehr dicht verbauten Areal hätte man sich sehr gut auch einen kleinen Park vorstellen können. Die Schaffung von 141 geförderten Wohnungen an einem gut erschlossenen Standort wog am Ende schwerer. Jetzt muss der Bezirk auf den „Westbahnpark“ warten, der hoffentlich einen Großteil der Bahngleise an der Felberstraße ersetzen wird.

Ob die Wohnhügel wirklich so knapp an den denkmalgeschützten Bestand heranrücken
müssen, ist ein anderes Thema. Die Bettina-Stiftung ist ein eleganter und repräsentativer
Bau, der sich ein entsprechendes Vorfeld verdient hätte. Der Name des Hauses verweist auf die an Krebs verstorbene Gattin des Stifters Albert Salomon Anselm von Rothschild, der 1894 über eine Million Kronen für die Errichtung eines Krankenhauses für 60 Frauen spendete. Das Haus ist zweigeschoßig, mit sehr hohen Räumen und einem dreigeschoßigen Mitteltrakt, in dem ein voluminöses Treppenhaus untergebracht ist.

Die neue Nutzung des Pavillons war lange unklar. Wohnungen und ein Primärversorgungszentrum waren in Diskussion, eine Mischung, die jetzt in einem der flankierenden Pavillons realisiert wird. Am Ende fiel die Entscheidung zugunsten einer Nutzung aus, die sehr nahe an der ursprünglichen liegt: von der Caritas betreutes Wohnen für psychisch labile Menschen über 50 Jahre, die hier in der Regel den Rest ihres Lebens verbringen. Die Anzahl der Bewohner ist mit rund 50 gleich geblieben, allerdings haben sich die Anforderungen geändert: Jedes Zimmer besitzt ein behindertengerechtes Bad, das normgerecht geplant bis zu einem Drittel der Zimmerfläche einnimmt. Um den Platz dafür zu schaffen, haben die Architekten Christa Prantl und Alexander Runser die Mittelmauern unterfangen und durch schlanke ausbetonierte Stahlpfeiler ersetzt, eine Strategie, die sie bereits 2001 bei der Sanierung eines geriatrischen Pavillons im Otto-Wagner-Spital im Dialog mit dem Denkmalamt entwickelt hatten. Konsequent eingesetzt, ergibt diese Strategie eine Ordnung linearer Tragelemente, die sich von den Ziegelmassen rundum abhebt. Das erzeugt eine eigene Ästhetik, die allerdings empfindlich ist gegen alles gemütliche Beiwerk, das in einem Heim üblich ist. Am besten versteht man den formalen Anspruch des Projekts auf den Fotos, die vor der Möblierung des Hauses – die nicht von Runser und Prantl stammt, sondern von einer Architektin der Caritas – entstanden sind.

Wer mit einem geschulten Auge durch die Räume geht, erkennt die architektonische
Logik aber auch hinter Blumengestecken und Mandala-Zeichnungen. Die Bewohner
fühlen sich offensichtlich wohl, auch in den Aufenthaltsräumen, in denen gekocht und gegessen wird. Kleinere Korrekturen an der Möblierung hat die Heimleitung schon mit großer Sensibilität vorgenommen, und es ist zu erwarten, dass sich dieses Haus auch weiterhin gut entwickeln wird. Ein unheimliches Heim? Nein. Für die meisten Bewohner ist diese Art des Wohnens eine glückliche und respektvolle Lösung.

 

Porträt
RUNSER|PRANTL architekten
Planen und Bauen im Raster

Text: Tom Cervinka
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Copyright © 2018 Weiss

Seit ihrer gemeinsamen Studienzeit an der TU Wien sind Christa Prantl und Alexander Runser beruflich und privat ein eingespieltes Team. Mit einem kleinen Stamm an Mitarbeitern und einem über die Jahre gewachsenen Netzwerk an Spezialisten entwickeln und planen sie Projekte in allen Größenordnungen und begleiten diese von der ersten Entwurfsskizze bis zum letzten Realisierungsdetail. Solide Basis für alle ihre Projekte ist ein stringenter Planungsraster, den sie schon zu Beginn ihrer gemeinsamen Karriere entwickelt haben und der bis heute Gültigkeit hat.

Viele Architekten arbeiten ein halbes (Berufs)Leben lang daran, um von Projekt zu Projekt eine eigenständige Formensprache, einen individuellen Stil, ihre unverwechselbare Handschrift zu entwickeln. Christa Prantl und Alexander Runser von RUNSER|PRANTL architekten haben das schon sehr früh in ihrer Karriere geschafft – oder zumindest etwas Ähnliches.

Denn auf den ersten Blick geben die Projekte ihre Protagonisten nicht preis. Zu unterschiedlich ist die Bandbreite an Wettbewerben, Projekten und Bauaufgaben, die sie im Laufe ihrer über drei Jahrzehnte langen Karriere gemeinsam entwickelt, geplant und realisiert haben. Von kleineren Wohnungsumbauten und Einfamilienhäusern über Gestaltungen im öffentlichen Raum, einen Yachtclub, Gemeindezentren, Freibäder bis hin zum großvolumigen Wohnbau oder Spezialbauaufgaben wie Ambulatorien, Pflegezentren, Krankenhäuser oder Schulen. Vom Um- und Zubau über Sanierung und Erweiterung bis hin zum Neubau auf der grünen Wiese – in Massivbauweise oder als Leichtbaukonstruktion, in Holz, Beton, Stahl oder einer Kombination daraus reicht ihr umfangreiches Projektportfolio. Spätestens aber dann, wenn man einen Plan von RUNSER|PRANTL in Händen hält, ist sie da – die eindeutige Handschrift, die alle ihre Projekte eint und ihre Entwürfe unverwechselbar macht. Weniger aufdringlich als ein durchgängiger Stil, nicht so deutlich wie die Handschrift des „Stararchitekten“, aber umso nachvollziehbarer und nützlicher für Planung und Ausführung und vor allem auch wirtschaftlich höchst sinnvoll.

PLANUNGSRASTER

Das erste Mal auf die Idee, einem Projekt einen Planungsraster zugrunde zu legen, kamen RUNSER|PRANTL im Rahmen ihrer letzten Entwurfsübung im Architekturstudium: Ein Heilbad mitten in der ägyptischen Wüste nahe der Oasenstadt El Kharga. Da bot es sich geradezu an, mitten im Niemandsland, wo man sich an keine baulichen Strukturen oder landschaftlichen Gegebenheiten anlehnen kann, einen eigenen Raster zu entwickeln – ähnlich wie die vor Jahrhunderten dort im Sand versunkenen antiken römischen Siedlungen, die sich am strengen römischen Kastellgrundriss orientierten. Die Idee des Planungsrasters war geboren und sollte die beiden Architekten durch ihre gesamte berufliche Karriere bis heute begleiten.

DEM HOLZBAU ENTLEHNT

Abgeleitet ist der Konstruktionsraster von 1 mal 1 Meter aus dem Holzbau, findet sich aber beispielsweise auch in den Schalungstafeln mit Abmessungen von 0,5 mal 1,0 Meter für den Betonbau wieder. Hier zeigt sich auch der wirtschaftliche Nutzen, denn hält man sich an den Raster, wird der Verschnitt der Schalungstafeln auf ein Minimum reduziert. Ausgehend vom Grundmaß des einen Meters wird der Raster nach Bedarf heruntergebrochen – halber Meter, Viertelmeter usw. Das bringt auch wesentliche Vorteile für die Planer mit sich, wie Christa Prantl erklärt: „Wenn wir beispielweise Schalungspläne zur Freigabe bekommen, kann man diese schnell kontrollieren. Ich kenne unsere Standardmaße, fällt etwas aus dem Raster, merke ich das mit einem Blick.“

THEORETISCHER BACKGROUND

Während des Studiums setzten sich RUNSER|PRANTL intensiv mit der Architektur der Moderne auseinander. Kurz vor seinem Diplom erhielt Alexander Runser das Josef-Frank- Stipendium der Österreichischen Gesellschaft für Architektur und beschäftigte sich ausführlich mit dem Schaffen von Frank, der nach seiner Emigration einen wesentlichen Einfluss auf die Ausprägung des skandinavischen Wohnstils nahm. Direkt nach dem Studienabschluss arbeitete Alexander Runser in der Loosforschung im Büro von Anton Schweighofer. Danach begaben sich die beiden Jungarchitekten auf einen mehrmonatigen Studienaufenthalt in die USA. Nach seiner Rückkehr arbeitete Alexander Runser in der Forschung und als Assistent am Institut für Gebäudelehre. Es folgten weitere Lehraufträge für Alexander Runser am Institut für Gebäudelehre und ein Lehrauftrag für Christa Prantl am Institut für Hochbau und Entwerfen. Parallel dazu arbeiteten die beiden Jungarchitekten am Aufbau ihres eigenen Büros.

ZU EBENER ERDE UND ERSTER STOCK

Die offizielle Bürogründung als RUNSER|PRANTL architekten erfolgte Ende der 1980er Jahre. Gewohnt und gearbeitet wird seitdem unter einem Dach in einem Haus der Jahrhundertwende in Wien Döbling: „Das hat seine Vor- und Nachteile“, wie Christa Prantl bestätigt: „Einerseits spart man eine Menge Zeit auf dem Weg vom Büro und wieder zurück, auf der anderen Seite ist man natürlich auch verleitet noch schnell nach dem offiziellen Büroschluss oder an den Wochenenden zu arbeiten.“ Diesbezüglich haben sich beide aber in den vergangenen Jahren diszipliniert und trennen Arbeits- und Freizeit wesentlich konsequenter als noch in der Anfangsphase. Auch räumlich wurde die Trennung vollzogen: Während früher Büro und Wohnung quasi Tür an Tür lagen, ist heute der erste Stock vorrangig dem Wohnen vorbehalten. Das Büro erstreckt sich über das gesamte Erdgeschoß: ein kleiner Besprechungsraum, ein Zwei-Mann-Büro und ein Open-Office für die Mitarbeiter mit direktem Blick in den parkähnlichen Garten. In einer geschlossenen Holzveranda, einem nachträglichen Anbau aus den 1920er Jahren, hat sich Alexander Runser seinen Arbeitsplatz eingerichtet. Mit Blick ins Grüne kann er hier auch mal die Türe hinter sich schließen und ungestört an neuen Projekten, Entwürfen oder Wettbewerben arbeiten. Geordnet und gestapelt liegen hier ein paar aktuelle Zeitschriften auf der weißen Tischoberfläche, vier Stifte – rot, blau, gelb, grün – im Köcher neben den Zeitschriften, ein heller Holzboden und weiße, bilderlose Wände. Mehr braucht es nicht bzw. mehr soll es auch gar nicht sein, damit nichts ablenkt, man unbelastet von jeglicher Staffage sich ganz und gar auf einen neuen Entwurf einlassen und hochkonzentriert arbeiten kann. Dieser puristische Ansatz zieht sich durch die gesamte Büroetage. Man findet auch keine Pläne oder Bilder von eigenen Projekten. Anders sieht das in der Endphase von Wettbewerben oder Entwurfsplanungen aus. Dann werden die großen Doppelflügeltüren mit Skizzen, Entwürfen und Plänen beklebt. Nach Fertigstellung wird alles wieder abgehängt und verschwindet im Archiv bzw. wird zerrissen und entsorgt, was nicht mehr gebraucht wird. „Das hat einen gewissen Reinigungseffekt und trägt dazu bei, ein abgeschlossenes Projekt hinter sich zu lassen, den Kopf frei zu machen und offen zu sein für Neues“, so Runser.

PREISE UND AUSZEICHNUNGEN

  • 1994 Stadt- und Dorferneuerungspreis des Landes Niederösterreich
  • 1994 Anerkennungspreis für Vorbildliche Bauten des Landes Niederösterreich
  • 1994 Bauherrenpreis der ZV der Architekten Österreichs, Finalist
  • 1995 Mention spéciale, Fifal, 4ème édition du festival international du film d’architecture libre, Bucarest
  • 1995 Kulturpreis des Landes Oberösterreich, Talentförderungspreis für Architektur (Prantl)
  • 1995 Preis der Stadt Wien, Förderungspreis für Architektur
  • 1996 Anerkennungspreis für Vorbildliche Bauten des Landes Niederösterreich
  • 1999 Architekturpreis Einfamilienhäuser der Reiners Stiftung
  • 2001 Würdigung zum Staatspreis für Consulting durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
  • 2006 Niederösterreichischer Baupreis 2006, Anerkennung
  • 2009 Holzbaupreis Niederösterreich 2009
  • 2009 Bauherrenpreis der ZV der Architekten Österreichs
  • 2010 Anerkennungspreis für Vorbildliche Bauten des Landes Niederösterreich
  • 2013 Austrian Brick and Roof Award 13/14, Anerkennung Wohnbau großvolumig
  • 2013 Bauherrenpreis der ZV der Architekten Österreichs 2013, Nominierung
  • 2015 Wienwood 15 – Holzbaupreis, Kategorie Öffentliche Bauten, Nominierung

Personen

Alexander Runser
geboren in Wien
Studium der Architektur an der Technischen Universität Wien
Diplom 1985
1989–1995
Assistent, dann Lehrauftrag an der TU Wien – Institut für Gebäudelehre
seit 1995
Universitätslektor an der TU Wien

Christa Prantl
geboren in Steyr
Studium der Architektur an der Technischen Universität Wien
Diplom 1985
1993–1995
Lehrauftrag an der TU Wien – Institut für Hochbau und Entwerfen
seit 2011
Mitglied des Gestaltungsbeirates des Landes Niederösterreich

 

Der Gang als erster Therapeut

Text: Franziska Leeb
Die Presse Spectrum / Samstag, 19. Mai 2018
Copyright © 2018 Die Presse

Es ist kein Geheimnis: Gebäude wirken sich auf das Wohlbefinden aus – und dafür müssen sie nicht einmal besonders originell sein. Das neue Kinderambulatorium in Mistelbach zeigt vor, wie es geht.

Der Ausblick aus dem Fenster kann die Genesung beeinflussen, stellte der amerikanische Architekturprofessor und Spezialist für Healthcare Design, Roger Ulrich, 1984 fest. Im Magazin „Science“ veröffentlichte er damals Studienergebnisse, die belegten, dass Patienten, die während der Rekonvaleszenz nach einer Operation aus dem Krankenhauszimmer auf Bäume sahen, weniger lang im Spital bleiben mussten und weniger Schmerzmittel benötigten als die Vergleichsgruppe, die auf eine Ziegelwand schaute. Seine Forschungen beeinflussten fortan die Gesundheitswissenschaften und die Gestaltung medizinischer Einrichtungen. Der Begriff „Healing Architecture“ ist heute fixer Bestandteil des Repertoires von Krankenhausplanern. Ausblick in die Natur, gute Orientierbarkeit, viel Tageslicht, helle Gänge und eine ruhige Umgebung tragen zum Wohlbefinden von Patienten, Personal und Angehörigen bei – darüber herrscht kein Zweifel. Trotz mittlerweile durchaus fundierter Forschung zum Thema, zum Beispiel von Architektin Christine Nickl-Weller, die an der TU Berlin das Fachgebiet „Architecture for Health“ leitet, basiert die Gestaltung von Bauten im Gesundheitswesen nicht immer auf klaren wissenschaftlichen Fakten. Geschwungene Formen, viel Holzoptik, Lichtinszenierungen und mehr oder weniger geschmackvolle Fototapeten mögen vielleicht manchen gefallen und als schick empfunden werden, tragen aber ähnlich wenig bei wie kuriose energetische Schutzringe. Es kommt auf mehr an, wenn die Umgebung nachweislich die Gesundheit fördern oder gar die Heilung beschleunigen soll. Einschlägige Studien gibt es, man müsste sie auch anwenden.

Dass es nicht auf Dekor oder besondere Originalität ankommt, wissen ebenfalls die Architekten Christa Prantl und Alexander Runser. Rationalität und zielstrebige Konsequenz kennzeichnet seit jeher ihre Herangehensweise. Schlanke, materialminimierte Konstruktionen, ein strenges Raster und klare Geometrien sind Merkmale ihrer Arbeiten. Beim Umbau des Pavillon 9 am Wiener Otto-Wagner-Spital in eine geriatrische Abteilung haben Runser/Prantl bereits 2001 bewiesen, dass diese Methodik nicht zu einem klinischen Ambiente führen muss, sondern damit durchaus – dank guter Lichtführung und Materialwahl – ein angenehmes Milieu zu schaffen ist.

Nun hatten sie mit einem Ambulatorium in Mistelbach erneut Gelegenheit, eine kleinere Bauaufgabe auf dem Sektor der medizinischen Betreuung zu realisieren. Bauherrin ist die 1975 gegründete, aus einem privaten Verein betroffener Eltern hervorgehende Organisation „VKKJ – Verantwortung und Kompetenz für besondere Kinder und Jugendliche“, die in neun Ambulatorien in Niederösterreich und Wien medizinisch-therapeutische Behandlung für Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsverzögerungen, Verhaltensauffälligkeiten und Behinderungen anbietet. In Mistelbach war die seit 25 Jahren bestehende Einrichtung zu klein geworden. Auf einem ursprünglich für Einfamilienhäuser parzellierten Areal am Stadtrand nahe dem Bahnhof entstand daher ein Neubau, der den gestiegenen Raumanforderungen gerecht wird. Runser/Prantl legten den Auftraggebern einen Holzbau nahe – aus ökologischen Gründen, wegen der Möglichkeit der Vorfertigung und daher rascheren Bauweise und weil eine eventuelle Erweiterung rascher und den Betrieb weniger störend vonstattengehen kann. Das Ambulatorium ist ihre zweite Arbeit in der Stadt. Bereits beim 2009 eröffneten Neubau des Freibades konnten sie ihren Anspruch an Präzision im großen Ganzen wie im Detail vorexerzieren.

Und wie das Freibad präsentiert sich auch die Therapieeinrichtung in nüchternem Grau, jenem unbunten Ton, den Runser/Prantl gern als Leitfarbe wählen. Er ist neutral, vermittelt eine gewisse Autorität und Stabilität, unterstützt das Konzept der konstruktiven Rationalität also auf visueller Ebene. In diesem Fall fiel das Grau etwas dunkler aus als sonst. Es wirkt dadurch weniger kühl; die Farbe changiert je nach Sonneneinfall, erscheint zu mancher Zeit als warmes sattes Braun und trägt dazu bei, den flachen Bau durch das optische Gewicht des Kolorits gut im Boden zu verankern. Das Grau bleibt aber draußen – drinnen bilden helles Holz, weiße Wände und ein sandfarbener Boden einen neutralen, freundlichen Grundton. Buntes kommt durch die Einrichtung und die Nutzer ins Spiel.

Aus drei orthogonal zueinanderstehenden, um Mittelgänge angeordneten Flügeln setzt sich der Baukörper zusammen. Vorne, direkt am Parkplatz, der Verwaltungsbereich, Empfang und im Anschluss der Warteraum. Breite Fenster mit niedrigen Parapeten sorgen für Übersicht nach draußen. Linkerhand des Ganges liegt im Vordertrakt der Personalbereich, in dem auch ein Therapiebad Platz fand, und der sich nur vom Aufenthaltsraum an der Gartenseite großzügig nach außen öffnet. Die beiden Therapietrakte liegen abgesetzt vom öffentlichen Grund und beidseitig von überdachten Holzterrassen begleitet wie Gartenpavillons in der Wiese. Dank Fenstertüren an den Enden und Oberlichten sind die Mittelgänge lichtdurchflutet und von einer Weite, die es zulässt, Distanz zu halten, sich seinen Raum selbst zu definieren und leicht auszuweichen. Der Gang als „erster Therapeut“, sagen die Architekten. Aus den Therapieräumen führen Fenstertüren auf die Terrasse und in den Garten.

Konstruiert ist das Gebäude in Holzbauweise mit einer Brettschichtholzdecke auf Stützen aus weiß lasiertem Leimholz und mit in die Attika integrierten Oberzügen. Damit bleibt die Decke frei von Unterzügen, womit man sich maximale Optionen für eine spätere Änderung der Raumgrößen schafft. Die Fassaden sind unabhängig von der Tragkonstruktion aus vorgefertigten Holzständerwänden errichtet. Es ist ein nüchternes, auf rationalen Bauablauf – in vier Wochen war der Rohbau fertig –, Alltagstauglichkeit und langfristige Flexibilität ausgelegtes Gebäude. Das Spektakuläre daran ist die Präzision der Planung: der bewährte Ein-Meter-Raster, der es erlaubt, Tür und Fensteröffnungen präzise zu setzen, zudem schöne Fugenbilder überall dort, wo verschiedene Materialien aufeinandertreffen. Das alles schafft einen ruhigen Hintergrund für einen abwechslungsreichen und für alle Beteiligten fordernden Alltag – mit ganz einfachen Mitteln.

 

Holzleichtbau statt Blechkiste
Zubau und Sanierung Volksschule Mannagettagasse, Wien

Text: Tom Cervinka
Architektur & Bauforum 02 Feb.13
Copyright © 2013 Architektur & Bauforum

Bauzustand
Trotz tendenziell sinkender Schülerzahlen steigt der Platzbedarf an Österreichs Schulen. Der vielfach in die Jahre gekommene Baubestand bedarf grundlegender räumlicher Anpassungen, um den erweiterten Bildungs- und Betreuungsangeboten von Ganztagsschule und Co gewachsen zu sein. An vielen Schulen bedeutet das eine mehr oder weniger temporäre Auslagerung von Unterrichtsklassen in (Bau-)Container. Mit ihrem Zubau und der Sanierung der Volksschule Mannagettagasse in Wien-Grinzing zeigen Runser/Prantl architekten eine hochwertige Alternative zur unwirtlichen Blechkiste.

Für rund 220.000 Wiener Schüler heißt es nun nach dem Ende der Semesterferien wieder, eine Zeitlang die Schulbank zu drücken. Für immer mehr Kinder und Jugendliche bedeutet das auch zurück in den Container im Schul(hinter) hof. Denn als kostengünstige Alternative zu einer naturgemäß teureren baulichen Erweiterung erfreuen sich die sogenannten Containerklassen steigender Beliebtheit – zumindest aufseiten der Schulbehörde. Ganz anders sieht das bei Lehrern, Eltern und Schülern aus, die die Gebäude vorübergehenden Bestands – so die bildungsbausprachliche Bezeichnung – weitaus weniger zu schätzen wissen. Ebenso wenig wie zahlreiche Anrainer, die sich auch nach mittlerweile über vier Jahrzehnten Containerklassen in Wien noch immer nicht an den Anblick gewöhnen wollen.

Der Schulbau steckt diesbezüglich in einem gehörigen Dilemma. Einerseits mangelt es an allen Ecken und Enden immer wieder an Geld, um dringend notwendige Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, oder einfach auch nur, um den Gebäudestandard den erhöhten Anforderungen der Bauordnungen und Schulbaunormen anzupassen. Was in der Regel auch einen wesentlich höheren Platzbedarf mit sich bringt – wie sich am Beispiel der Schülergarderoben deutlich zeigen lässt: Waren Mantel, Schuhe, Schal und Haube in der Vergangenheit oft entlang der Gänge aufgefädelt, braucht man hierfür heute aufgrund feuerpolizeilicher Bestimmungen eigene, von den Verkehrswegen abgeschottete Garderobenräume. Das kostet Platz. Platz, den man aber ohnehin auch schon für neue pädagogische Konzepte wie Kleinklassen, Lerngruppen u. dgl. brauchen würde. Hinzu kommen Ganztagsschule und Nachmittagsbetreuung, und schon ist selbst in Schulen mit sinkenden Schülerzahlen der Platzmangel perfekt. Trotzdem scheut die Schulbehörde (in Wien die MA 56 – Wiener Schulen) davor zurück, in Erweiterungen und Zubauten zu investieren. Denn dem erhöhten Platzbedarf steht eine rückläufige Geburtenrate gegenüber – wer wagt schon vorauszusagen, wie viele der Klassen, die jetzt in Containern untergebracht sind, in zehn oder 20 Jahren überhaupt noch gebraucht werden. Spätestens dann sollte ja auch die Schul-und Bildungsreform über die Bühne gegangen sein, damit man weiß, wie Schule in Zukunft überhaupt aussehen soll und ob das derzeitige Raumangebot in den Bildungsbauten dann überhaupt noch den geltenden Anforderungen entspricht. Fragen über Fragen, die es im Schulbau zu klären gibt, während viele Kinder und Jugendliche ihren Schulalltag im Container fristen. Weit mehr als 200 solcher Containerklassen gibt es derzeit alleine nur in der Bundeshauptstadt – Tendenz weiter steigend.

Neue Wege im temporären Schulbau
Doch es geht auch anders, wie das Wiener Architektenteam Christa Prantl und Alexander Runser bei ihrem jüngsten Projekt – der Bestandssanierung und dem Zubau zur Volksschule in der Grinzinger Mannagettagasse – eindrucksvoll unter Beweis stellt. Mit einem deutlichen Mehr an architektonischer, räumlicher und bauphysikalischer Qualität, und das auch noch ohne explodierenden Kostenrahmen. Fast zu schön, um temporär zu sein, denn beim aktuellen Zubau handelt es sich aus baurechtlicher Sicht tatsächlich um ein Gebäude vorübergehenden Bestands. Von seiner Konstruktions- und Bauart her lässt sich der hochwertige Holzbau relativ einfach in seine Einzelteile zerlegen und anderweitig wiederverwenden. Die Stadt Wien beschreitet damit einen erfolgversprechenden Weg, Containerklassen durch Holzleichtbauweise zu ersetzen. Ein Konzept, das in Wien insgesamt erst zweimal zum Einsatz gekommen ist und nach ersten positiven Erfahrungen hoffentlich weiter Schule im Schulbau machen wird.

Denkmalgeschützter Bestand
Die Bauarbeiten am Zubau in der Mannagettagasse wurden rechtzeitig vor den Semesterferien abgeschlossen, sodass die Schüler mit Beginn des Sommersemesters ihre neuen Klassenräume besiedeln konnten. Die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen für das Bestandsgebäude befinden sich derzeit in der Detailplanung und sollen, wenn alles nach Plan verläuft, in den beiden nächsten Sommerferien durchgeführt werden. Trotz der vergleichsweise kleinen Planungs- und Bauaufgabe sah sich Runser/Prantl architekten mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Der kompakte, zweigeschoßige Altbestand aus der Gründerzeit wurde von niemand Geringerem als Heinrich von Ferstel, dem Architekten der Wiener Votivkirche, geplant und in den Jahren 1871–1872 errichtet. Was für Runser und Prantl bedeutet, dass jeder bauliche Eingriff in das denkmalgeschützte Gebäude, die Verbindung von Alt- und Neubau wie auch schon zuvor die Lage der beiden Baukörper zueinander mit den Denkmalschützern abgestimmt und diskutiert werden müssen. Darüber hinaus entspricht der Bestand in weiten Bereichen nicht mehr den hohen Anforderungen eines zeitgemäßen Schulbaus – vor allem was den Brandschutz, sicherheitstechnische Belange oder die Barrierefreiheit angeht. Wesentliche Kritikpunkte, die im Rahmen von Sanierung und Umbau natürlich gelöst werden müssen. Wenn möglich so, dass sie das historische Erscheinungsbild nicht stören, was vor allem in Bezug auf die Barrierefreiheit nicht ganz einfach zu erfüllen ist. Straßenseitig ist das Schulgebäude nur über eine Treppe zu betreten, ebenso trennt auch eine Treppenanlage Erdgeschoß und Schulhof. Und der Luftraum der Treppenspindel ist zu klein, um einen rollstuhlgerechten Lift einzubauen.

Die Lösung für dieses Problem bringt der neue Zubau. Seine Situierung und Höhenlage hat Runser/Prantl so gewählt, dass nach Abschluss der Sanierungsarbeiten zwischen Alt- und Neubau ein niveaumäßig an das Erdgeschoß des Bestandes angepasster Schul- und Spielhof entsteht. Dieser gewährleistet die barrierefreie Erschließung der beiden Gebäude. Im Endausbau soll eine verglaste Brücke die beiden Schulteile im ersten Obergeschoß miteinander verbinden. Dieser gläserne Verbindungsgang erleichtert nicht nur die interne Organisation (weil Kinder nicht mehr über den Hof von einem Gebäude ins andere wechseln müssen), sondern ermöglicht im Bedarfsfall auch die Nutzung des Treppenlifts im Neubau. Soweit die Planung. Vorläufig verbindet nur ein aufstockbares Flugdach beide Baukörper. Und die endgültige Entscheidung in puncto Brücke ist aufseiten von Wiener Schulen noch nicht gefallen. Die Alternative wäre ein außenliegender Lift am Ferstelbau, was nicht nur den Architekten, sondern auch den Denkmalschützern ein Dorn im gestalterischen Auge wäre.

Leichter Zubau
Trotz zahlreicher, einschlägiger Wettbewerbserfahrungen ist die Volksschule in der Mannagettagasse der erste Schulbau, den Runser/Prantl realisieren konnten. Während im Altbau erhöhte Anforderungen und Auflagen infolge des Denkmalschutzes gelten, so waren es beim Zubau die Vorgaben aus der Widmung „Gebäude vorübergehenden Bestandes“, die den Architekten mitunter das Leben schwer machten. So sahen sich die erfahrenen Architekten bei ihrem ersten Schulbau mit einem Konvolut von Normen, Vorschriften, zusätzlichen Auflagen und mancherlei Einschränkungen infolge der temporären Nutzung konfrontiert, die es geschickt in nutzbare Flächen umzusetzen galt. Beispielsweise sind bei der Errichtung von mobilen Klassen keine Pausenräume für Schüler vorgesehen. Mit einigem Verhandlungsgeschick konnten die Architekten aber zumindest den Raum unter der Treppe für die Kinder freihalten. Dafür mussten der Serverraum und das Lager für Putzgeräte unter der Treppe weg in ein eigenes „Kammerl“ neben den Sanitärzellen argumentiert werden.

„Sowohl in der denkmalgeschützten Sanierung als auch im mit Auflagen und Vorschriften gespickten Schulneubau geht es letzten Endes immer auch darum, sich seine gestalterischen Freiräume zu schaffen“, erklärt Alexander Runser pragmatisch. „Es erfordert mitunter aber auch einen erheblichen Diskussionsbedarf und viel Überzeugungsarbeit, will man das Maximum für die späteren Nutzer herausholen“, ergänzt Christa Prantl und hat auch gleich das entsprechende Beispiel parat. So war in der ursprünglichen Planung des Zubaus eine lichte Raumhöhe wie im Bestand von annähernd vier Metern vorgesehen, was sich nicht nur positiv auf die Ausleuchtung auswirkt, sondern den Klassenzimmern auch ein großzügiges Raumluftvolumen bereitstellt. So war es im Konzept vorgesehen und auch im Vorentwurf sowie im Entwurf. Doch dann machte die MA 56 – Wiener Schulbau als Bauherr einen Strich durch die Planung: Von den Bestimmungen für Containerklassen her kommend, ist für provisorische Klassen eine Raumhöhe von exakt zweieinhalb Metern vorgesehen. Nach vielem Hin-und-her-Gerechne ergaben sich Mehrkosten von weniger als zwei Prozent der gesamten Bausumme, und so einigte man sich schließlich auf eine Raumhöhe von drei Metern. Die Architekten sehen es heute sogar positiv: „Durch die Verringerung der Raumhöhen im Neubau wird die geplante Brücke die beiden Bauteile nun in einem leichten Gefälle verbinden, was dem gesamten Ensemble sogar eine zusätzliche Dynamik verleiht“, so Architekt Runser.

Die Situierung des langgestreckten Holzbauriegels auf dem Grundstück ist so gewählt, dass die vorhandenen Gartenflächen und Freiräume in bestmöglich nutzbarer Form erhalten bleiben und der Freiraum als wichtiges Kriterium einer Ganztagsschule aufgewertet wird. Die Konstruktion des Zubaus und der Verbindungsbrücke besteht aus Brettschichtholz mit horizontaler Brettlage. Als vorgefertigte Elementbauteile wurden die einzelnen Wand- und Deckenmodule – teilweise mit einer Länge von bis zu 17 Metern – geschoßweise auf eine Fundamentplatte montiert. Am 6. August starteten die Bauarbeiten, und nicht ganz drei Tage später, am Nachmittag des 9. August, waren die Rohbauarbeiten bereits abgeschlossen. Sämtliche Installationen verlaufen in eigenen Installationsschächten und werden hinter den Vorsatzschalen, im Bodenaufbau bzw. über die abgehängten Decken im Gebäude verteilt. Erforderliche Elektroinstallationen entlang der tragenden Außenwände wurden auf der Außenseite in die Brettschichtholzelemente gefräst und durchgebohrt. Im Innenbereich bleibt die Holzoberfläche durchgehend sichtbar und wurde lediglich weiß lasiert.

Die äußere Hülle bildet eine hinterlüftete Fassade mit 20 Zentimeter Wärmedämmung und durchgefärbten anthrazitfarbenen Eternitplatten auf einer Konterlattung. Der Neubau ist im Niedrigstenergiestandard ausgeführt und ermöglicht sogar den nachträglichen Einbau einer kontrollierten Raumlüftung. Leicht wieder demontierbar und in seine unterschiedlichen Bauteile und Baustoffe wieder zerlegbar, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit der technischen Nachrüstung bietend, ist das Gebäude auf alles vorbereitet. Auf einen „Umzug“ samt Nachnutzung ebenso wie für ein beständiges Dasein als dauerhaftes Provisorium.

 

Monolith auf grasgrünem Grund
Wohnbau Kurt-Ingerl-Gasse, Wiener Neustadt

Text: Tom Cervinka
Architektur & Bauforum 14 Aug.11
Copyright © 2011 Architektur & Bauforum

Bauzustand
In bester zentrumsnaher Grünruhelage wollte die SGN – die Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Neunkirchen – am südöstlichen Stadtrand von Wiener Neustadt ein neues Wohnviertel errichten. Die ursprünglich im geladenen Wettbewerb geplante Bebauung zweier Grundstücke mit insgesamt 170 Wohneinheiten wurde im Laufe der Projektwerdung auf 52 reduziert. Der erste Bauteil mit insgesamt 26 Wohnungen wird jetzt übergeben. Wann und wie es danach weitergehen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Was bleibt, ist ein lichtgrauer Monolith, der ohne sein spiegelgleiches Pendant im Moment ein wenig verloren auf der grünen Wiese steht. Die Geschichte einer Projektgenesemit Stolpersteinen.

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten konnten Runser/Prantl architekten den im Jahr 2007 von der SGN ausgeschriebenen geladenen Architekturwettbewerb für die abschnittsweise Errichtung einer Wohnhausanlage, bestehend aus mehreren Baukörpern, für sich entscheiden. Erst knapp drei Jahre später fuhren die ersten Baumaschinen auf. Kürzlich wurde der erste Bauteil seinen künftigen Nutzern übergeben.

Der Start des neuen SGN-Wohnbauprojekts am Stadtrand von Wiener Neustadt gestaltete sich äußerst schwierig. Bauherr und Jury entschieden sich einstimmig für den Wettbewerbsbeitrag von Runser/Prantl. Diese hatten in ihrem Entwurf die halbe Gebäudehöhe als Abstand zur Grundstücksgrenze vorgesehen. Nach Einwand des Vertreters der Baubehörde, man könne nicht mit halber Gebäudehöhe an die Grundstücksgrenze bauen und somit ein eindeutigen Verstoß gegen die Bauordnung vorläge, wurde das Projekt jedoch ausgeschieden.

Christa Prantl, im Team verantwortlich für die Einhaltung der baurechtlichen Rahmenbedingungen und einschlägigen Normen, schlug Alarm, erhob Einspruch gegen den Wettbewerbsentscheid und bekam recht. Tatsächlich zählt das Baugrundstück trotz seiner Stadtrandlage laut Flächenwidmung zum Bauland-Kerngebiet, womit eine Bebauung sogar bis an die Grundstücksgrenze zulässig wäre. In der Zwischenzeit war aber schon der „zweite Erste“ über seinen Wettbewerbssieg informiert worden. Eine Patt-Situation, die nach einigem Diskussionsbedarf mit der Splittung der Projektplanung in einen für alle Beteiligten akzeptablen Kompromiss mündete. Runser/Prantl wurden mit der Planung des ersten und vorläufig einzigen in Realisierung gehenden Bauabschnitts beauftragt.

Entgegen der ursprünglichen Auslobung werden mit dem ersten Bauabschnitt jetzt lediglich 52 der ursprünglich ca. 170 geplanten Wohneinheiten umgesetzt. Diese verteilen sich auf zwei spiegelgleiche Baukörper, wovon jedoch in der ersten Phase nur einer der beiden auch wirklich errichtet wurde, während der zweite weiterhin seiner Realisierung harrt. Diese wiederrum hängt augenblicklich noch von der Freigabe der entsprechenden Wohnbaufördermittel ab.

Vonseiten der Architekten ist die Planung weitgehend abgeschlossen, und auch bautechnisch wurden die entsprechenden Aufträge an die Ausführenden bereits mit dem ersten Bauteil vergeben. Der derzeitige Projektstand stellt somit nur ein Fragment des Gesamtentwurfs dar und steht ohne seinen Partnerbau nun ein wenig verloren auf dem Baugrundstück. Damit ereilt das Wiener Neustädter Wohnbauprojekt dasselbe Schicksal wie zahlreiche andere Wohnbauten im Land Niederösterreich. Landaus, landein findet man sie allerorts, die fragmentarisch errichteten neuen Wohnsiedlungen, die, wenn überhaupt, erst nach Jahren und mehreren Förderanläufen fertiggestellt werden können – ewige Baustellen für die Anrainer inbegriffen. Den Grund dafür kennen Runser/Prantl nur allzu gut. So ist es in der niederösterreichischen Wohnbaupolitik gang und gäbe, dass maximal 25 bis 30 Wohneinheiten am Stück eine Förderzusage erhalten. „Der gesamte Städtebau orientiert sich mittlerweile an dieser Größenordnung und ist dominiert von Baukörpern in der Größe von 25 bis 30 Wohneinheiten“, so Prantl.

Der nun fertiggestellte erste Bauteil präsentiert sich als lichtgrauer Monolith mit im Westen vorgelagerten Laubengängen als horizontale Erschließungsebene zu den Wohnungen. Ein verglaster Liftturm bildet die vertikale Erschließungsachse und führt direkt in das Untergeschoß zu den Mieterkellern und in die Garage. Alle Wohnungen sind Ostwest-orientiert und verfügen über eine Terrasse und Mietergarten im Erdgeschoß bzw. über einen Balkon in den drei Obergeschoßen. Die schlichte Baukörperkubatur spiegelt sich auch in der weißen Farbgebung und der zurückhaltenden Materialwahl wider. Beton, Stahl und Glas sind die bestimmenden Elemente der Primärkonstruktion. Darin zeigt sich auch die Haltung der Architekten gegenüber der Bauaufgabe: „Wohnbau ist ein Grenzbereich der Architektur. In erster Linie sehen wir ihn als einen sozialen Auftrag, und damit geht man gegenüber der Gesellschaft die Verpflichtung ein, kosteneffizient zu planen und zu bauen. Es geht nicht darum, so viel Architektur wie möglich in ein Wohnbauprojekt zu packen, sondern vielmehr darum, maximale Wohnqualitäten zu einem vertretbaren Preis zu schaffen“, ist Alexander Runser überzeugt. Aufseiten der Planung erfordert das natürlich eine intensive Auseinandersetzung mit dem Projekt und die Entwicklung intelligenter Detaillösungen. So zeichnen sich die Projekte von Runser/Prantl durch einen hohen Detaillierungsgrad aus – für die Architekten ein wesentlicher Aspekt im Zuge der Qualitätssicherung und bei der Einhaltung des Kostenrahmens.

Im Norden ragen das zweite und dritte Obergeschoß stattliche 13 Meter über Erd- und erstes Obergeschoß hinaus. Darunter befinden sich zusätzlich zu den 26 Stellplätzen in der Tiefgarage weitere Stellplätze für Autos sowie Fahrräder. Die Trakttiefe des Gebäuderiegels beträgt rund zehn Meter. Dabei war es den Architekten wichtig, möglichst flexible, stützenfreie Grundrisse zu schaffen. So beschränken sich die tragenden Zwischenwände auf die Wohnungstrennwände bzw. auf einzelne, kurze Wandscheiben in den größeren Drei-Zimmer-Wohnungen. Für das konstruktiv statische Konzept zeichnet der Statiker Jahangir Nasserzare verantwortlich, mit dem die Architekten bereits in der Vergangenheit zahlreiche statische Herausforderungen gemeistert haben.

Die Größen der drei unterschiedlichen Wohnungstypen reichen von 50 über 80 bis zu 90 Quadratmetern. Durch die Minimierung der Verkehrsflächen in den Wohnungen sind die Räume großzügig nutzbar. Offene Flure, niedrige Fensterparapete mit außen vorgesetzten Absturzsicherungen und überhöhte Durchgangslichten bei allen Wohnungseingangs- und Innentüren erzeugen ungewohnte Proportionen und schaffen räumliche Weite.

Nicht minder von Bedeutung waren neben den (wohn)räumlichen Qualitäten auch die Aspekte eines nachhaltigen Betriebs sowie einer sowohl ökologischen als auch ökonomischen Bauweise. Mit der im Erstentwurf vorgesehenen 30-Zentimeter-Vollwärmeschutzverbundfassade und einer kontrollierten Wohnraumlüftung hätte das Gebäude rein rechnerisch Passivhausstandard erreicht. Ausgeführt wurde schließlich aber eine 20 Zentimeter starke Wärmedämmung mit passivhaustauglichen Fenstern, so verpasst das Niedrigstenergiegebäude mit einem jährlichen Heizwärmebedarf von nur 18 Kilowattsunden pro Quadratmeter knapp den Passivhausstandard (15 kWh/m2a).

Die ursprüngliche Haustechnikplanung von Peter Schütz sah eine CO2-neutrale Wärmeversorgung über zwei Holzpelletskessel im Kellergeschoß vor. Im Zuge der Bauausführung wurde auf eine Fernwärmeversorgung mit überwiegendem Alternativenergieanteil durch die EVN umgestellt.

Die kontrollierte Wohnraumlüftung erfolgt über Zentralgeräte auf dem Dach des Hauses. Die Frischluft wird für jede Wohnung separat über Lüftungsleitungen von außen angesaugt, wobei die gereinigte Frischluft mithilfe der Abluft über einen Wärmetauscher vorgewärmt wird. Über verstellbare Lufteinlässe wird die Zuluft in den Wohn- und Schlafbereichen eingebracht, gleichzeitig wird die Abluft aus den Nassräumen abgesaugt. Die Luftkonditionierung erfolgt bei dem bereits errichteten Gebäude über einen Glykolkollektor unter der Fundamentplatte des Baukörpers. Damit wird in den heißen Sommermonaten die Zuluft gekühlt und im Winter vorgewärmt. Bei dem zweiten, dem noch zu errichtenden Zwillingsbau soll die Luftkonditionierung über einen zwei Meter tief liegenden Erdluftbrunnen erfolgen. Das Warmwasser wird im Sommer über Sonnenkollektoren auf dem Dach aufbereitet. Im Winter dienen diese zusätzlich auch zur Heizungsunterstützung.

Nach einer mehr als vierjährigen Planungs- und Bauzeit findet ein bauliches Langzeitprojekt seinen vorläufig erfolgreichen Abschluss. Wiener Neustadt ist damit um einen qualitativen Wohnbau reicher. Gleichzeitig bleibt zu hoffen, dass bis zur endgültigen Komplettierung nicht wieder fast ein halbes Jahrzehnt vergehen wird.

 

Baukosten fest im Griff
Pfarrgemeindezentrum St. Josef in Neu-Guntramsdorf   RUNSER / PRANTL architekten

Text: Tom Cervinka
Architektur & Bauforum 03 Feb.10
Copyright © 2010 Architektur & Bauforum

Kosteneffizientes Planen und Bauen
Projektentwicklung mit fordernden Partnern und engem Kostenrahmen: Bei der Neugestaltung des Pfarrgemeindezentrums Sankt Josef in Neu-Guntramsdorf stellten sich RUNSER / PRANTL architekten einem ebenso vielköpfigen wie meinungspluralistischem Bauherrenkonsortium und gleichzeitig der Herausforderung mit minimalem Budget ein Maximum an Architektur zu realisieren.

Es ist für den Planer als Anwalt für das Gebaute nicht immer einfach, seine Vorstellungen von der architektonischen Gestaltung mit den Vorstellungen des Bauherrn zur Gestaltung der Kosten in Einklang zu bringen. Eine Problematik, die quer durch alle Bauaufgaben das Verhältnis zwischen dem Architekten auf der einen Seite und dem Auftrag- bzw. Geldgeber auf der anderen Seite dominiert und mitunter auch belastet. Noch schwieriger erweist sich die Konsensfindung, wenn der Auftraggeber eine kleine Pfarrgemeinde mit engem Budgetrahmen für die Planung und Ausführung und das direkte Bauherren-Visavis aus einem rund 15-köpfigen Pfarrgemeinderat besteht, der aktiv in die Projektentwicklung und -umsetzung eingebunden werden will.

In zahllosen Besprechungsrunden musste daher das Architektenduo mit Beharrlichkeit und Ausdauer sein Gegenüber oft bis tief in die Abend- und Nachtstunden für den Projektentwurf gewinnen und die bauherrenseits eingerichteten Arbeits- bzw. Beratungsgruppen beispielsweise von der Größe des Saals, der Gestaltung der Küche oder der Nutzung des Bestandes überzeugen. Was dabei herausgekommen ist, ist dennoch alles andere als ein Kompromiss. Das Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit ist eine hohe Qualität des Gebauten mit öffentlichem Mehrwert für die Nutzer und ein zusätzlicher Erfahrungsgewinn für die Architekten im Umgang mit fordernden Bauherren und Bürgerbeteiligungen im weitesten Sinn. Dort, wo es sinnvoll und möglich war, wurden Kosten eingespart bzw. zugunsten anderer gestalterischer Eingriffe verschoben. Wo es dem einen oder anderen Projektpartner notwendig oder unumgänglich erschien, wurden keine Zugeständnisse gemacht. Letztendlich sind aber dennoch alle Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden und können sich mit dem Endprodukt identifizieren – kein leichtes Spiel für die Architekten und nicht immer leichte Kost für die höchst engagierten späteren Nutzer.

Ausgangspunkt für die umfassende Neugestaltung des Gemeindezentrums war ein im Jahr 2007 von der Diözese ausgelobter Architekturwettbewerb, den Christa Prantl und Alexander Runser für sich entscheiden konnten. Das ursprüngliche Bauensemble der Pfarrgemeinde St. Josef – bestehend aus Kirchengebäude mit Sakristei und Heizzentrale, Pfarrhaus und Pfarrsaal – wurde 1966 nach den Plänen von Architekt Bruno Tinhofer errichtet. Der für die gestiegenen Anforderungen der aktiven Gemeinde viel zu klein gewordene und in die Jahre gekommene Pfarrsaal sollte durch einen Neubau samt Nebengebäuden ersetzt, das bestehende Pfarrhaus saniert und die Außenanlagen neu gestaltet werden. Die budgettierten Nettobaukosten ohne Einrichtung sollten eine Gesamtsumme von 515.000 Euro nicht überschreiten. Im Zuge des Wettbewerbsgewinns und der Auftragsvergabe wurde das Anforderungsprofil auftraggeberseitig erweitert und der Kostenrahmen um knapp bemessene 60.000 Euro erhöht. Die zusätzlich geforderten Bau- und Planungsleistungen umfassten die Verlagerung der WC-Gruppe in den Altbau, den Einbau einer Küche im Neubau in der Nähe des Multifunktionssaals, die geringfügige Vergrößerung des Saals und eine gedeckte Verbindung zwischen Kirche und Pfarrzentrum.

Laut Wettbewerbsvorgabe sollten ursprünglich alle bislang im Pfarrhaus situierten Räumlichkeiten und Funktionszonen, wie Pfarrkanzlei, Besprechungszimmer und Sanitäranlagen im Neubau unterbegracht, das Pfarrhaus selbst nur noch die Küche beinhalten und die restlichen Flächen als Lager dienen. Im Zuge der Projektentwicklung lösten RUNSER/PRANTL die Lagerräume aus dem vorgegebenen Raumprogramm heraus. Zwei vom Speditionsunternehmen LKW-Walter ausgemusterte Standard-Transportcontainer sollten als kostengünstige Alternative auf dem Grundstück aufgestellt und als neues Lager für Dekorationsmaterial, Flohmarktware und die Biertische und –bänke für sommerliche Festveranstaltungen dienen. Ein planerischer Schachzug, der gleich in zweifacher Hinsicht helfen sollte, die Kosten zu senken. Dank dem zusätzlichen Raumgewinn konnten Besprechungszimmer, Mitarbeiterraum, Kopierecke und der neue Sanitärbereich im alten Pfarrhaus untergebracht werden.

Und so übersiedelte nur die Kanzlei in den Neubau, wodurch dieser flächenmäßig komprimiert werden konnte. Detail am Rande: Der Pfarrgemeinderat entschied, dass die alten, ausrangierten Container nicht zum Gesamterscheinungsbild passen und bestellte stattdessen nagelneue Container und statt zwei gleich vier Stück, damit auch in absehbarer Zukunft der Lagerraum nicht zu knapp wird. Ob der Dominanz des neuen Ensembleelements, das sich geschickt in der Nord-Ost-Ecke des Grundstücks hinter dem Pfarrhaus verbirgt, erhielt es von den Architekten die humoristisch treffende Bezeichnung „Container-City“.
Die durch die Auslagerung der Lagerung vermeintlich eingesparten Kosten nützten die Planer für die Umgestaltung und Strukturierung des Vorplatzes. Ursprünglich durch eine schulterhohe Mauer vom Straßenraum abgeschottet, bot dieser mit zahlreichen Niveausprüngen und kleinteiligen, unzusammenhängenden Grünflächen und Pflasterungen einen traurigen Anblick. Im Zuge der Neugestaltung wurde der gesamte Vorplatz zur Straße hin geöffnet und auf ein einheitliches Niveau gebracht, wodurch ein definierter Freiraum entstand, der jetzt in vielfältiger Weise für Außenveranstaltungen nutzbar ist. Die Forderung nach einer gedeckten Verbindung zwischen Kirche und Pfarrsaal setzten die Architekten mit einer extrem schlanken Stützkonstruktion mit Flugdach in Betonbauweise um. Der filigrane Umgang fasst als zeitgemäßes Zitat an einen mittelalterlichen Klosterkreuzgang den neu geschaffenen Kirchenvorplatz zu einem präzis definierten Raum und trennt diesen gleichzeitig optisch elegant vom dahinterliegenden Gartenbereich.

Der neu errichtete Pfarrsaal öffnet sich mit einem großzügigen, vollflächig verglasten Foyer hin zum Vorplatz. Die ebenfalls im Neubau situierte Küche ist so gelegen, dass sowohl der Saal als auch das Foyer mit Vorplatz und der Garten optimal versorgt werden können. Die Konstruktion des Neubaus in Stahlbetonbauweise garantiert höchste Flexibilität in der Nutzung. Auch für eine nachträgliche Erweiterung trafen die Architekten entsprechende Vorkehrungen und sahen die Aufstockung des Neubaus mit Erschließung über das Foyer bereits in der Ausführungsplanung vor. Stahlbetonwandscheiben im Bereich der Außenwände und entlang des inneren Erschließungsganges tragen eine unterzugsfreie Stahlbetondecke. Für kleinere Veranstaltungen ermöglichen zwei flexible Trennwände die Teilung des Raumes. Die hohe Schallabsorption der holzvertäfelten Raumteiler erlaubt auch die Abhaltung von Parallelveranstaltungen ohne gegenseitige lärmtechnische Beeinträchtigung. Für Großveranstaltungen wie den Gemeindeball oder Hochzeiten können die Trennwände über flächenbündig integrierte Deckenschienen verschoben werden und mutieren zur raumhohen, hölzernen Lamperie entlang der Seitenwände. Die Nachhaltigkeit im Betrieb stand ebenso auf der Wunschliste des Bauherren wie eine ökologisch ökonomische Bauweise. Die ökologischen Aspekte des Neubaus erfüllten die Architekten über die Wahl der Materialien und über die Art der Konstruktion: Ein Mix aus Beton, Stahl, Holz, Glas und Alukonstruktionen bestimmen bedarfsgerecht die Primärkonstruktion. Alle Materialien sind wiederverwertbar bzw. recyclingfähig. Auch die Dachabwässer werden gesammelt und dienen für die Bewässerung der Grünflächen – wenngleich ein zusätzlicher Kostenfaktor, minimiert die Regenwassersammlung die Betriebskosten und stellt natürlich eine sinnvolle Investition in die ökologische Nachhaltigkeit dar. Gemäß der ursprünglichen Planung sollten Neu- und Altbau Passivhausstandard erreichen. Die zusätzlichen Kosten und der Einbau einer kontrollierten Wohnraumlüftung überstiegen jedoch die finanziellen Möglichkeiten. Als Niedrigenergiehaus konzipiert, sind Neubau und Bestandsgebäude jetzt an das bestehende Heizsystem angeschlossen und erreichen damit immerhin noch eine sehr gute Energiekennzahl von 29 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.

 

Weinlandbad Mistelbach, Niederösterreich – Holz mit Stil

Text: Isabella Marboe
architektur.aktuell, No.354, 9.2009
Copyright © 2009 architektur.aktuell

Beim Bau des neuen Kabinentrakts im Weinlandbad Mistelbach setzten RUNSER / PRANTL architekten auf die organische Form eines leichten Bogens, die konstruktiven Möglichkeiten des vorgefertigten Holzbaus und die bewährte Planung im Ein-Meter-Raster. Pünktlich zum Saisonstart war der 80 Meter lange, platinquarzgraue Baukörper mit dem Flugdach fertig. Selten wirkte ein Bad so edel.

Wellness in der Aulandschaft
Ein Babyplanschbecken, Kinder-, Sport- und Erlebnisbad, ein Geysir, zwei Sprungtürme, Wasserrutschen, dazu eine riesige Wiese mit Sonnenliegen, Spielplätzen, Volleyball, Beachsoccer und schattigen Bäumen: Das Weinlandbad Mistelbach hat einiges zu bieten und ist entsprechend populär. 1960 wurde es eröffnet, sein zweistöckiger Kabinentrakt war trotz einiger Aus- und Umbauten vom intensiven Gebrauch schon schwer gezeichnet. Rostige Bewehrungseisen hatten die sparsame Deckung des Stahlbetons aufplatzen lassen, die Treppen waren kaputt, die Decke einsturzgefährdet.

Sanieren lohnte sich nicht mehr, die Gemeinde beschloss, langfristige Weichen für eine prosperierende Zukunft zu stellen. Man lud sechs Büros zum Wettbewerb für den neuen Kabinentrakt, bei dem in zwei weiteren Baustufen das Szenario für ein Gesundheitszentrum mit Beauty-Farm entwickelt werden sollte. RUNSER / PRANTL architekten siegten. Sie hatten sich schon früher mit dem nahen Naturdenkmal Zayawiese beschäftigt, das die thematische Klammer ihres Projekts bildet. Der organisch geschwungene Kabinentrakt liegt an einer Promenade, an die sich wie Glieder einer Kette die Stätten zur Pflege der Körperkultur reihen sollen: der sachte Bogen des Freibades, das abgesetzte Punkthaus des vierstöckigen Gesundheitszentrums, dessen Terrassenrestaurant an den Becken liegt, der Beauty-Pavillon an der Jandl-Wiese, hinter der die Zaya-Au beginnt. Sie ließe sich als Erlebnispark gestalten. Das Budget war knapp, die Bauzeit auch. Sieben Monate, dann war das Bad fertig für die Sommersaison. An der stark befahrenen Mitschastraße, wo sich ein typischer Gewerbepark mit McDonald’s und bauMAX ausbreitet, soll eine Allee zum natürlicher Filter für Lärm und Autos heranwachsen, dahinter setzt der gekrümmte Neubau ein stilvolles Zeichen an der Peripherie. Er definiert einen schönen Vorplatz, der sich zur Zufahrt aufschwenkt und in der Natur verläuft. Viele Autos und 200 Räder können hier parken, dahinter fasst der graue Bogen in einer umarmenden Geste die bunte, inhomogene Beckenlandschaft ein und gibt ihr einen ruhigen Rahmen. Das Bad liegt im Schwemmland: circa 30 Meter tiefe Bohrpfähle verankern die Fundamentplatte aus Beton im Boden. Sonst ist der Neubau fast ausschließlich aus kreuzweise verleimtem Fichtenholz. „Was dieses Bad auszeichnet, ist seine präzise Konstruktion. Wir wollten möglichst materialgerecht planen,“ so Runser. „Hier ist kein Zentimeter Holz zu viel, es gibt nur zwei, drei Stellen, wo es mit Stahl verstärkt werden musste. Fast alle Wand- und Deckenelemente kamen fix und fertig aus der Fabrik.“ Sie waren bis zu 16 Meter lang und dreieinhalb Meter hoch.

Beton oder Holz?
Im Prinzip besteht der durchgehend gekrümmte Baukörper, der von der eingeschoßigen Service-Zone mit Sanitäter-, Reinigungs- und Personalraum, Werkstatt, Technik und Chemielager im Norden bis zum zweigeschoßigen Kabinentrakt im Süden einen 80 Meter langen Bogen umschreibt, nur aus 13,4 cm starken, tragenden Scheiben und 9,8 cm dünnen Zwischenwänden. Die Spannweite der Deckenelemente beträgt fünfeinhalb Meter, Dämmung brauchte es keine mehr: das Brettsperrholz steht für sich. „Mit Beton hätte man das nicht so schlank dimensionieren können,“ meint Runser. Auch die Krümmung war im Holzbau leichter zu bewältigen. Bei der Planung blieben die Architekten ihrer Liebe zum Ein-Meter-Raster treu. Aufgrund der Geometrie, die alle Zwischenwände konisch zusammenlaufen lässt, musste er leicht modifiziert werden: an der Außenfassade beträgt er nun 1,105, innen 0,98 Meter. Diesen Aufwand war die Besonderheit der Form schon wert. „Wir wollten einen unverwechselbaren Ort schaffen, der auf die Landschaft reagiert. Hier spürt man gleich, wo die Natur beginnt.“ Bis zu dreieinhalb Meter ragt das Vordach über den Laubengang, der die Kabinen im ersten Stock erschließt. Es beschattet den breiten Laufsteg, von dem man das ganze Bad überblickt und dient dem Holz als konstruktiver Witterungsschutz. Ganz rau und unbehandelt wollten es RUNSER / PRANTL trotzdem nicht lassen: zu groß war das Risiko, dass es unschön ergraut. „Uns war wichtig, eine einheitliche Oberfläche zu erzielen.“ Nach der Begutachtung von 14 Mustern entschieden sie sich für einen platinquarzgrauen Schutzanstrich. Er verleiht dem Holz einen feinen Silberglanz, unter dem die Maserung und Schnittflächen der Kreuzlagen durchschimmern. Auf den ersten Blick könnte es als geschalter Beton durchgehen.

Fit für den Sommer
Jugendliche kauern auf den Sitzwürfeln am Vorplatz, selten wirkte ein Bad so edel. Jakob Fina legte an der gekrümmten Außenwand ein Biotop aus Flusssteinen und Schilfgräsern an. Nichts blieb dem Zufall überlassen: diese stadtexponierte Seite ist mit einer hinterlüfteten Vorsatzschale verkleidet. Sie schützt die Fassade vor Vandalismus und verweist auf den Gebrauch. Auch die Besucher tragen draußen Straßenkleidung und erst drinnen ihre sonnencremelasierte Haut zur Schau. Im Osten, wo der Kabinentrakt beginnt, betritt man das Bad, im Westen, wo der eingeschoßige Service-Bauteil in der Wiese verebbt, verlässt man es. Spektakulär ragt das Flugdach fast 13 Meter über den Zugang. Es wird von darüberliegenden Leimbindern verstärkt, doch die sieht von unten keiner. Die Portierloge ist eine kompakte Hochleistungsbox in strategischer Bestlage. Am Vorplatz die Kassa, in der Mitte der Technikschacht mit EDV-Server und Mini-Küche, außerdem ein hellgrau beschichtetes, mobiles Holzmöbel auf Rädern, an dem alle Schlüssel hängen. An den Ecken vier Stahlstützen, rundherum zweieinhalb Meter hohes Isolierglas: hier sitzt der Bademeister hautnah am Geschehen.

Urlaub zu Hause
Alle Räume und die Sanitärzonen im Erdgeschoß sind barrierefrei zugänglich und mit behindertengerechten Bädern, Wickelräumen, Kinder-Waschbecken und Duschen ausgestattet. Sie werden von hoch liegenden, schmalen Fensterbändern erhellt, das bringt Licht und wahrt die Intimität. Holzscheiben stehen in der Mitte der Gänge: Sie wirken als Sichtschutz und bringen Abwechslung in die Erschließung. Sicherheit ist ein großes Thema, hier darf keiner ausrutschen. Auf den Stufen der Holzstiege liegen Betonplatten, zwei Handläufe – ein niederer für die Kinder, ein höherer für Erwachsene – flankieren die Wand. Der Boden ist aus versiegeltem, gebürstetem Estrich, die Brüstung des Laubengangs aus Streckmetall. „Die Lastannahmen waren so hoch wie bei Autobahnbrücken: bei Gewitter muss man damit rechnen, dass hundert Leute in Panik verfallen,“ so Runser. Auch die Schiebetüren, mit denen sich die Zugänge der Garderoben absperren lassen, sind aus Streckmetall, Überwachungskameras gibt es außerdem. Schließlich sind 288 Kästchen und 113 Kabinen oder Komfortkästchen zu schützen.

Über zweitausend Besucher zählte der diensthabende Bademeister an einem heißen Tag Mitte Juli, dreitausenddreihundert waren es heuer auch schon, an Abenden mit Discobetrieb stürmen bis zu sechstausend die Party im Bad. RUNSER / PRANTL führten die bestehende Pflasterung weiter, bis zu Baustufe zwei dient sie dem provisorischen Containerrestaurant als Terrasse. Hier sitzt man unter weißen Schirmen am Wasser und fühlt sich wie im Urlaub.

 

Härte und Noblesse

Text: Franziska Leeb
Die Presse Spectrum / Samstag, 22. August 2009
Copyright © 2009 Die Presse

 

Silberstreif mit sanftem Schwung
Neubau Weinlandbad, Mistelbach

Text: Tom Cervinka
Architektur & Bauforum 10/Juni09
Copyright © 2009 Architektur & Bauforum

Der Neubau des Weinlandbades in Mistelbach zeigt Holzbautechnologie in höchster Perfektion. Nur dank einer präzisen und detaillierten Planung sowie dem hohen Vorfertigungsgrad kann der mit sieben Monaten Bauzeit extrem knapp bemessene Terminplan eingehalten werden.

Wenige Tage vor der Übergabe herrscht im Weinlandbad in Mistelbach noch rege Betriebsamkeit. Rechtzeitig mit den steigenden Temperaturen soll das Freibad wieder seinen Nutzern übergeben werden. Bis zu 3.000 Bade- und Sonnenhungrige stürmen an heißen Tagen die Anlage und suchen im kühlen Nass Linderung vor drückender Sommerhitze. Der lange Winter und die starken Regenfälle haben es den Bauverantwortlichen jedoch nicht leicht gemacht, die ohnehin sehr knapp bemessene Planungs- und Bauzeit einzuhalten.Die mit Juni angepeilte Übergabe wird dennoch termingerecht erfolgen. Das ist in erster Linie der peniblen Planung des Architektenteams Alexander Runser und Christa Prantl zu verdanken, die kein Detail dem Zufall überlassen und mit Argusaugen darüber wachen, dass ihre Vorstellungen und Ansprüche in puncto Ästhetik und Ausführungsqualität auch tatsächlich eingehalten werden.

Das als Holzbau in Fertigteilbauweise konzipierte Gebäudeensemble ist das Ergebnis eines von der Gemeinde Mistelbach Ende 2007 ausgeschriebenen, geladenen Wettbewerbs, den RUNSER / PRANTL architekten zu ihren Gunsten entscheiden konnten. Das alte Freibad – ein in die Jahre gekommener Stahlbetonbau aus den Siebzigerjahren – wies schwere Bestandsschäden mit Betonabplatzungen und teilweise freiliegendem Bewehrungsstahl auf. An eine Sanierung war nicht mehr zu denken und die Stadtväter entschieden sich für einen Neubau, Silberstreif mit sanftem Schwung Neubau Weinlandbad, Mistelbach der alle Anforderungen an einen zeitgemäßen Badebetrieb erfüllt. Innerhalb der Wintersperre sollte sowohl der Abbruch des Bestandsgebäudes sowie die Errichtung des Neubaus erfolgen – so weit die Anforderungen an die Planer und Ausführenden.
Mit Baubeginn im November des vergangenen Jahres standen nur knapp sieben Monate für die Errichtung der beiden, in Summe rund 85 Meter langen Gebäudetrakte zur Verfügung. Um den winterlichen Wetterunbillen ein Schnippchen zu schlagen, entschieden sich die Architekten für die Holzbauweise in Vorfertigung. Die einzelnen bis zu 16 Meter langen Bauteile wurden witterungsunabhängig in der Werkshalle vorproduziert und anschließend mittels Sattelschlepper auf die Baustelle gebracht, vor Ort montiert und verschraubt. Anfang Jänner wurde bei dichtem Schneefall mit dem Versetzen der ersten Teile begonnen, bereits im März startete der Innenausbau. Dank des hohen Vorfertigungsgrades konnte nicht nur der enge Zeitplan eingehalten, sondern auch die Kosten gegenüber einem konventionellen Stahlbetonbau erheblich reduziert werden. Aufgrund der Leichtbaukonstruktion schien es zunächst auch möglich, für das Plattenfundament die bestehende Pfahlgründung des Vorgängerbaus zu nutzen. Nach dem Abbruch des Bestandes erwies sich die notwendige Sanierung der Pfahlköpfe jedoch wesentlich teurer als eine Neufundierung. So wurden bis zu 30 Meter tiefe Bohrpfähle in den Boden geschlagen, um dem Neubau im Weinviertler Schwemmland den nötigen Halt zu verleihen.

Kontrapunkt im Hüttelwerk
Mit seinen klaren Konturen und den platingrau lasierten Fassaden bildet der neue Baukörper einen deutlichen Kontrast zur kleinteilig verhüttelten Nachbarbebauung. Damit ist ein erster Schritt gesetzt, der südlichen Stadteinfahrt von Mistelbach ein ansprechendes Entree zu verleihen. Wirkungsvoller wird dieses aber noch, wenn das im Wettbewerb bereits konzipierte Gesundheitszentrum zur Realisierung gelangt. Nach einem Betreiber wird derzeit noch gesucht. Bis ein solcher allerdings gefunden ist, liegt das Erweiterungsprojekt erst einmal auf Eis.
Der mit einer Krümmung von vier Millimeter auf einen Meter leicht geschwungene Neubau entlang der stark befahrenen Einzugsstraße bildet einen natürlichen Lärmschutz für das dahinterliegende Badeareal. Dank der Krümmung des Gebäudes entsteht im Vorbereich ein neuer Platz, der sowohl den Fußgänger- und Radweg aufnimmt als auch ausreichend Raum schafft für temporäre Nutzungen auch außerhalb der Badesaison. Als gestalterischen Verweis auf das im Westen direkt an das Bad anschließende Naturdenkmal Zayawiesen setzte der von den Architekten ins Projekt geholte Landschaftsplaner Jakob Fina dem Neubau ein Trockenbiotop mit Sumpfpflanzen direkt vor die Fassade. „Ein wesentliches gestalterisches Element, auf das wir ungern verzichtet hätten und das nur realisiert werden konnte, weil es im Vergleich mit der Asphaltierung des restlichen Vorplatzes kostenneutral ist“, setzt Alexander Runser Einfallsreichtum gegen Flächenversiegelung. Gleichzeitig sieht er damit auch die Verbindung hergestellt zu einem Öko-Erlebnispark mit Informationszentrum und Lehrpfaden durch die an das Bad anschließenden Feuchtwiesen und Verlandungszonen. Dieses Projekt ist aber leider noch nicht einmal Zukunftmusik und existiert bislang nur in der Fantasie der Architekten, die in der gedanklichen Konzeptionierung wesentlich weiter gegangen sind als in der ohnehin schon überdurchschnittlich umfangreichen Wettbewerbsausschreibung gefordert war.

Ausgefeilter Holzbau.
Eine breite Eingangszone trennt die beiden Gebäudeteile in einen zweigeschoßigen Kabinentrakt mit Sanitäreinheiten und den ebenerdigen Personalriegel mit Werkstatt, Technikraum, Chemielager und Chlorgasanlage. Ein solitärer, zwischen die beiden Trakte geschobener Holz-Glas-Kubus beherbergt an der Straßenseite den Kassenbereich und bietet an seiner Rückseite dem Bademeister einen optimalen Überblick über das Geschehen auf der Liegewiese und im Bereich der Schwimmbecken.
Das mit zwölf Meter über die gesamte Einganszone auskragende Dach gestaltete sich für den Statiker als rechnerische Herausforderung. Lediglich drei schlanke Stützen mit einem minimalen Durchmesser von zehn Zentimeter tragen den eindrucksvollen Dachflügel, der mit einer Materialstärke von nur 20 Zentimeter extrem leicht wirkt. Eine querliegende Leimbinderkonstruktion an der Dachoberseite kommt dem auskragenden Dach zu Hilfe und ersetzt Tragbalken an der Unterseite. Die plane Deckenuntersicht und der leichte, fast fliegende Charakter bleiben damit erhalten.
Tragende Wände, Innenwände, Zwischendecken und Dach – das gesamte Gebäude ist als Leichtkonstruktion ausgeführt und besteht aus Brettsperrholzelementen, mit einer Materialstärke von 13,5 Zentimetern für die tragenden Wände und 20 Zentimeter für die Decken und das Dach. Aufgrund der ausschließlichen Sommernutzung konnte auf eine Wärmedämmung verzichtet werden. Das bedeutete für die Architekten einen wesentlich höheren Planungsaufwand und verlangte vom Holzbauer ein Höchstmaß an Genauigkeit. Jeder Stoß, jede Kante, jede Ecke und jede Verschneidung muss exakt sitzen. Für sämtliche Installationsleitungen wurden exakte Verlegepläne angefertigt und die Leitungsführung in die Holzteile eingefräst. Schließlich gibt es keine Hohlräume, Zwischendecken oder Vorsatzschalen, in denen man vergessene Leitungen nachträglich verschwinden lassen kann. Und Oberwandistallationen kamen nicht infrage.
An der Fassade sind die tragenden Wandscheiben mit einer Deckschicht im strengen, von den Architekten vorgegebenen Raster verkleidet. Jede Fuge ist in den Ansichtsplänen exakt festgelegt und kotiert – damit sich an den Ecken, im Bereich der Fenster oder Türen, keine unschönen Verschneidungen ergeben. Denn der konstruktive Holzbau mit Sichtoberflächen an der Innen- sowie an der Außenseite verzeiht keine Ungenauigkeiten und erlaubt kein Nachbessern.

Derzeit erhält das Gebäude noch den letzten Schliff und wird für die Eröffnungsfeier herausgeputzt. Der zweite Anstrich ist noch nicht ganz trocken, aber der Termin für die erste Poolparty im neuen Kleid steht. Apropos Kleid: Die platingraue Lasur soll den natürlichen Alterungsprozess des Naturwerkstoffes Holz vorwegnehmen und von Beginn an ein einheitliches Fassadenbild zeigen. Wiewohl sich so mancher Anrainer sehr darüber wundert, dass die vermeintlichen Schaltafeln grau gestrichen werden müssen, bevor man endlich die richtige Wand ausschalen kann. Vielleicht müssen sich die Mistelbacher aber auch erst daran gewöhnen, dass die Architektur bei ihnen Einzug gehalten hat.

 

RUNSER / PRANTL architekten – FamilienRAThaus, SOS-Kinderdorf Wien-Floridsdorf

Text: Ursula Graf
architektur.aktuell, 6.2007
Copyright © 2007 architektur.aktuell

 

Mutter, Geschwister, Haus, Stadt

Diese Woche eröffnet Wiens erstes SOS-Kinderdorf. Es ist mehr Stadt als Dorf, vor allem aber ist es ein unmissverständliches Statement für den Umgang mit Kindern.

Text: Wojciech Czaja
Standard, 16.09.2006
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Hermann Gmeiner hat Großes geleistet. Unter dem braven Scheitel steckten Visionen, Durchsetzungsvermögen und nicht zuletzt auch der gedankliche Grundstein eines Dorfes, das einzig und allein den Kindern galt. Allein Medizin zu studieren war dem damals Dreißigjährigen zu wenig. Gebeutelt vom Krieg, schenkte er seine Liebe daher den Kindern und Jugendlichen, für die mit dem Ende des Krieges auch das Ende ihrer Familie einhergegangen war – und baute im tirolerischen Imst das erste SOS-Kinderdorf der Welt. Im Winter 1949 erhalten die Kinder nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern auch eine neue Mutter. Die vier Grundprinzipien des neuzeitlichen Waisenhauses sind damit für alle Zeiten einbetoniert: „Mutter, Geschwister, Haus, Dorf.“

Wie sieht es nun aus, das erste Dorf in der Stadt? Ewig hatte man nach einem passenden Grundstück gesucht. In die wahren Facetten urbanen Lebens traute man sich bis zuletzt nicht vor, da man eine Zeit lang beim hoffnungsvollen Kompromiss der Reihenhäuser hängen geblieben war – doch daraus wurde nichts. Auf einem riesigen Baustellen-Areal in Floridsdorf wurde man schließlich fündig und beschloss, sich im bergenden Schoß des sozialen Wohnbaus einzunisten. Die neuen Gebäude von Rüdiger Lainer, Margarethe Cufer und Dietrich Untertrifaller harren ihrer Fertigstellung, mancherorts wird bereits der letzte Feinschliff vorgenommen. Insgesamt sechs Wohneinheiten wurden darin an die speziellen Bedürfnisse der SOS-Kinderdorf-Familien angepasst – sei es ein zweites Bad, ein größeres Wohnzimmer oder schlichtweg nur ein riesiger Garderobenbereich für die kinderreiche Familie.

Dass es sich dabei um ein Gebäude für Kinder handelt, sieht man dem schlichten Bau der Runser/Prantl/Architekten – zumindest auf den ersten Blick – bei Gott nicht an. Eher denkt man an herausgeputzte City-Lofts oder an den neuen Firmensitz der österreichischen Baustoffindustrie: Sichtbeton in Reinkultur, viel Aluminium an der Fassade und reichlich Glas in den Varianten durchsichtig und flaschengrün gefärbt. Doch was spräche denn dagegen, ein Haus für Kinder nicht auch einmal ästhetisch und elegant zu gestalten? Oder anders gefragt: Was spricht dafür, wieder einmal auf das geistig bescheidene Konzept von Ritterburgen und Märchenschlössern zurückzugreifen?

Es beginnt im Hof. Schaukelgerüste aus Holz, Rutschen und Kraxelbäume wird man hier nicht finden. „Am Anfang wollte die Leitung des SOS-Kinderdorfes herkömmliche Spielgeräte von der Stange in den Hof stellen“, so Runser, „gemeinsam mit dem Landschaftsplaner Jakob Fina haben wir nun eine reduzierte Lösung gefunden.“ Und die lautet: Statt den Kindern die Form des Spielens aufzuzwingen, hat man mittels gummiweichen Kautschukgranulats kleine Hügel und Mulden geformt. Einmal tennisplatzrot, einmal blau, einmal türkis. Die Hügel sind grenzenloser Ort für Fantasie, die Mulde indes fasst jenen Sand, der in der Regel in ein rechteckiges Kisterl aus Spielplatzholz gequetscht ist.

Doch auch im Innern sieht man auf den feinen zweiten Blick nette Kinder-Gadgets, ohne dass sich das Haus den Stempel des Infantilen aufdrücken lässt. Ein hoher Handlauf führt die Großen bergauf und bergab, ein niedriger hilft den weniger Großen bei der Überwindung der einzelnen Geschoße. In den Sanitärräumen gibt es einen gemeinsamen Waschtisch für alle Körpergrößen, wobei die Kinder ihre Hände in eine Mulde strecken und die Erwachsenen die ihrigen in ein Aufsatzbecken. Das Kleine kann unbekümmert neben dem Großen koexistieren, eine Wertung nimmt hier niemand vor.

Still hört man die Leserschaft jetzt sagen: Als ob die SOS-Dorfkinder keine anderen Probleme hätten! Und die Antwort darauf lautet: Doch, diese Kinder haben – wiewohl die meisten glücklich und zufrieden sind – eine Schicksalskarte gezogen, die nicht zu den schönsten des Lebens zählt. Wir beneiden sie nicht darum. Doch wie anmaßend wäre es vonseiten der Architektur, diese intimen Probleme auf immer und ewig in den Beton zu ritzen.

 

Otto Wagner Spital, Pavillon 9 – Umbau

Denkmalschutz mit Brechstange

Text: Christian Kühn
Spectrum, 01.12.2001
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Nur noch dort investieren, wo es dem Patienten direkt zugute kommt, heißt die Sparmaxime im Krankenhauswesen. Daß es sich dabei lohnt, das Geld in guter Architektur anzulegen, zeigt der Umbau eines Pavillons im „Otto-Wagner-Spital“ durch Runser/Prantl.

Die Landes- Heil- und Pflege-Anstalten für Geistes- und Nervenkranke „Am Steinhof“ in Wien waren zu ihrer Zeit die größte derartige Anlage der Welt. Auf einem Areal von fast einer Million Quadratmetern entstanden zwischen 1905 und 1907 Pavillons mit rund 2000 Betten, gegliedert in ein Sanatorium für Adel und Großbürgertum und einen doppelt so großen Teil für die weniger begüterten Kranken . Der Lageplan für die Anlage stammt von Otto Wagner, der auch die Anstaltskirche „Am Steinhof“ entwarf, eines der bedeutendsten Bauwerke des Wiener Jugendstils.

In seinem Lageplan versinnbildlicht Wagner, was seine Zeit unter einer vernünftigen Ordnung versteht. Die Anlage ist streng symmetrisch beiderseits einer Hauptachse, die vom schloßartigen Verwaltungsbau am Eingang bis zur Kirche führt, angeordnet, eine „weiße Stadt, überragt von der goldenen Kuppel einer weißmarmornen Kirche“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt. Die Rationalität der Anlage verfolgt therapeutische Absichten, ähnlich wie das auf ein Minimum reduzierte Ornament in Josef Hoffmanns Sanatorium Purkersdorf zur Heilung der dort behandelten Hysteriker beitragen sollte.

Wagner hat stets das „peinlich genaue Erfüllen des Zwecks“ als eine Hauptaufgabe der Architektur dargestellt. „Sola artis domina necessitas“ – nur einen Herrn kennt die Kunst, das Bedürfnis – lautete das auf Gottfried Semper zurückgehende Motto, das er auf seinem Wohnhaus anbringen ließ. Daß er die Forderung nach maximaler Vernunft gerade in einer Irrenanstalt exemplarisch umsetzen durfte, ist weniger irritierend als die Tatsache, wie viele seiner Überlegungen zur Disziplinierung jeder Unordnung sich auch in den „normalen“ städtebaulichen Konzepten Wagners wiederfinden – etwa im Entwurf für den 22. Wiener Gemeindebezirk als Teil einer unbegrenzten Großstadt – und von dort ihren Weg in die klassische Moderne gefunden haben, die dazu tendiert, alles Dunkle und Irrationale zu verdrängen. Ähnliches gilt für manche Details in den (nicht von Wagner entworfenen) Pavillons am Steinhof, etwa die abgeschrägten Fensterbänke, die das „unordentliche“ Abstellen von Gegenständen verhindern sollten und sich heute etwa in Werkstätten und Schulen wiederfinden.

Etwas überspitzt ließe sich behaupten, daß die weiße Stadt „Am Steinhof“ den Charakter eines Irrenhauses deshalb nie ganz abschütteln kann, weil sie durch und durch vernünftig angelegt ist. Nachdem die Psychiatrie zu großen Teilen abgesiedelt und durch geriatrische und neurologische Stationen ersetzt worden war, konnte das Spital immerhin seinen Namen ändern und wird derzeit als „Sozialmedizinisches Zentrum Baumgartner Höhe – Otto-Wagner-Spital“ saniert. Für den Umbau der großteils unter Denkmalschutz stehenden Pavillons wurde 1997 ein Wettbewerb veranstaltet, aus dem drei Büros – Beneder/Fischer, Runser/Prantl und Sarnitz/Silber/Soyka – als Sieger hervorgingen. Sie sollten an ausgewählten Pavillons unterschiedliche Konzepte erproben, die alte Substanz auf zeitgemäßen Stand zu bringen.

Als erster Pavillon wurde nun jener von Christa Prantl und Alexander Runser fertiggestellt. Die Architekten haben sich der Aufgabe mit einem Rationalismus genähert, der dem Wagnerschen nicht nachsteht. Die Grundidee ihres Entwurfs besteht im wesentlichen darin, dem Gebäude Masse zu entziehen, indem die Mittelmauern entfernt werden. Rational argumentiert, bedeutet diese Maßnahme einen Flächengewinn, der es erleichtert, den Zimmern die notwendigen Bäder zuzuordnen. Viel wesentlicher ist jedoch der Gewinn an Transparenz durch Lichtbänder über den Bädern, die Licht von der Südseite in den Gang bringen und diesen größer erscheinen lassen. An den Enden des langgestreckten Pavillons weitet sich der Gang zu je einem Tagraum, was ebenfalls erst durch die Entfernung der Mittelmauern in den Quertrakten möglich wird. Da es sich um eine geriatrische Station handelt, ist die Qualität dieser inneren Straße, die zwischen den Tagräumen hin und her führt, von großer Bedeutung für das Wohlbefinden der Patienten.

Das alles klingt wenig spektakulär. Aber wie so oft, wenn das Ergebnis besonders schlüssig und selbstverständlich aussieht, stehen dahinter eiserne Konsequenz in der Planung und die Bereitschaft, eine Idee gegen jeden Widerstand zu verteidigen. Das Denkmalamt ließ sich erst durch Sachargumente wie die Wendekreise von Rollstühlen davon überzeugen, dem Abriß der Mittelmauern zuzustimmen. Und als die Bewilligung von dieser Seite vorlag, war der Tragwerksplaner gefordert, eine konstruktive Lösung für die Unterfangungen zu finden, die auch ästhetisch Sinn hat. Oskar Graf schlug dafür eine Mischbauweise aus schlanken Ortbetonstützen und Stahlträgern vor. Während diese Konstruktion eingebracht und das Mauerwerk entfernt wurde, mußten alle Deckenlasten über eine Stützkonstruktion in die Fundamente abgetragen werden – ein sehr labiler Zustand, der aber sogar ein leichtes Erdbeben überstand, das sich genau in dieser kritischen Phase ereignete.

Der Aufwand hat sich gelohnt. Trotz geringer Gesamterrichtungskosten von 20.500 Schilling (1490 Euro) pro Quadratmeter Bruttogeschoßfläche haben die Stationen eine Detailqualität, die für das Wohlbefinden älterer, in ihrer Wahrnehmung teilweise eingeschränkter Patienten entscheidend ist. Die scheinbar luxuriöse Ausführung von Mobiliar, Licht und Oberflächen – etwa die durchgängigen Ulmenholzfurniere – ist deshalb kein Luxus, sondern Zeichen von Respekt vor den Patienten. Dasselbe gilt für das kleine Glashaus, das die Architekten als Eingangsfoyer an den Pavillon gesetzt haben. Auch hier ist ein Detail symptomatisch: Um den wuchtigen Rammschutz zu vermeiden, der in ähnlichen Situationen zum Schutz gegen Transportwagen eingesetzt wird, verwenden die Architekten vorgespannte Stahlseile.

Zu Recht hat das Projekt beim jüngsten Staatspreis für Consulting eine lobende Erwähnung erhalten: So viel unspektakuläre Intelligenz dürfte nicht nur im Wiener Krankenhausbau eine Seltenheit sein.

 

Sozialmedizinisches Zentrum Wien
Ursprung und Verwandlung

Text: Ingrid Gumpinger
wettbewerbe 216/217, Juli/August 2002
Copyright © 2002 wettbewerbe

 

Umbauten im Otto Wagner Spital in Wien
Implantation, Dilatation, Regeneration

Text: Otto Kapfinger
Architektur Aktuell, Juni 6/2002
Copyright © 2002 Architektur Aktuell